03.06.2013

Blockupy Frankfurt - Ein desaströser Einsatz / Neusprech: Schutzwaffe

[fr-online / 02.06.2013] "Frankfurt hat sich blamiert“, schrieb die Frankfurter Rundschau vor einem Jahr an dieser Stelle, als es darum ging, den Umgang mit den Blockupy-Protesten zu bewerten. Diesmal hat sich Frankfurt nicht nur blamiert. Diesmal endete der Demonstrationszug in einem Desaster, das ein juristisches Nachspiel haben muss. Weil Menschen von hochaggressiv auftretenden Polizisten verletzt wurden. Und weil die Polizei mit ihrer Entscheidung, den Demonstrationszug am Schauspiel zu stoppen, kurzerhand ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs unterlaufen hat.

Wer sich durchliest, wie Polizeipräsident Achim Thiel den Einsatz rechtfertigt, kommt aus dem Staunen nicht heraus.
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Blockupy Polizei gerät nach Einsatz in Erklärungsnot
[faz / 02.06.2013] Mehr als hundert verletzte Demonstranten, rund 20 verletzte Beamte - und ein Polizeieinsatz, der sogar in den eigenen Reihen äußerst kritisch gesehen wird: Die Bilanz nach der Auflösung der „Blockupy“-Demonstration fällt kritisch aus.
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„Sie sind kein Abgeordneter! Der Ausweis ist gefälscht“ - Bericht über die diesjährige Blockupy Demonstration in Frankfurt
[movassat / 01.06.2013] Aber nun zu dem, wie es wirklich war: Die Polizei hat diesen Kessel gewollt. Sie hat ihm durch das entsprechende zusammenziehen der Einsatzkräfte schon früh vorbereitet. Und auf den Anlass gewartet, zuzuschlagen. Irgendeinen Anlass findet man bei nahezu jeder etwas größeren Demo. Es gibt immer ein paar, die sich vermummen (über die massive Vermummung der Polizei redet indes keiner) oder mal einen Böller zünden. Aber normalerweise ist dies kein Grund, eine ganze Demo zu sprengen. Dafür ist das Grundrecht des Art. 8 Grundgesetz viel zu konstituierend für eine Demokratie. Eine Demokratie lebt davon, dass Versammlungen zur Artikulation der politischen Meinungskundgabe möglich sind. Ohne Versammlungsfreiheit auch keine Demokratie. So einfach ist das. Denn wo keine kollektive, öffentliche Meinungsbildung- und kundgabe möglich ist, befindet man sich in einem diktatorischen System. Das wusste offensichtlich die Polizei in Hessen nicht (vielleicht schicken wir dem Innenminister einige Ausgaben des Grundgesetzes zu?).

Jedenfalls ging es der Polizei wohl darum, Verbindungen der Demonstranten zur M31-Demonstration am 31.Mai 2012 herzustellen und entsprechende Personen zu finden. Die vermutete man im „Antikapitalistischen Block“. Deshalb der Kessel – um an die Personalien zu kommen!
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Neusprech: Schutzwaffe 
[neusprech] Eine S. oder auch passive Waffe ist gar keine Waffe. Das verwirrt Sie? Moment, wird gleich klarer. Mit den Begriffen werden im Versammlungsrecht all jene Dinge bezeichnet, die dazu taugen, vor der Wirkung von Waffen zu schützen. Aber natürlich ist diese Falschbenennung kein Zufall, dient sie doch dazu, das Tragen von schützender Kleidung zu diskreditieren, oder genauer: deren Träger. Das wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Dinge gemeint sind: Regenhosen zum Beispiel, Zahnschienen oder eine Schutzbrille (die auch noch als Vermummung gilt). Selbst ein Fahrradhelm ist nach dieser Rechtsauffassung eine passive Waffe. Wer sich vor Gewalt schützen wolle, so die Logik, der suche die Gewalt geradezu, ja sei selbst zu ihr bereit.
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Da haben wir was angerichtet! Fördern Tafeln die Armut? - Armutszeugnis für den Sozialstaat? [Talk] [WDR]



Da haben wir was angerichtet! Fördern Tafeln die Armut? [Talk] [WDR] 
[wdr / 02.06.2013]  Vor 20 Jahren in Berlin als akute Soforthilfe gegründet, gibt es inzwischen bundesweit mehr als 900 Tafeln. Sie betreuen regelmäßig rund anderthalb Millionen Menschen. Doch der Erfolg der Bewegung ist nicht unumstritten und das Jubiläum längst nicht für alle ein Grund zum Feiern. Denn die Tafeln, so sehen es Kritiker, setzen am Symptom der Armut an und nicht an den Ursachen. Sie sind Teil der stetig wachsenden Armutsindustrie, binden Bedürftige an sich, entlassen den Staat aus seiner Verantwortung und verfestigen die Missstände, anstatt sie zu bekämpfen. Sind 20 Jahre Tafel-Bewegung ein Armutszeugnis für den deutschen Sozialstaat? Oder können die Tafeln doch Not lindern und individuelle Hilfe leisten? Wer profitiert von ihnen und wem schaden sie? Müssen wir als Gesellschaft radikal umdenken und die Politik stärker in die Pflicht nehmen? Ließen sich die Ursachen der Armut durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und gesetzlich festgeschriebener Mindestlöhne überwinden? Darüber diskutiert Matthias Kremin am 2. Juni im WDR Foyer mit seinen Gästen.
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Gast: Stefan Selke
Stefan Selke, Soziologe an der Hochschule Furtwangen, ist einer der bekanntesten Kritiker der Tafeln. Erstaunt über die rasch wachsende Zahl der Hilfsreinrichtungen, begann er 2007 mit Recherchen vor Ort. Dabei hat er eine Parallelwelt entdeckt. Es ist die Welt der Hartz-IV-Empfänger, der geringfügig Beschäftigten und aus der Bahn Geworfenen, die am Rande der Gesellschaft zurechtzukommen versuchen.

Das Ergebnis seiner Recherchen ist ernüchternd: "Statt an einer Abschaffung der Armut mitzuwirken, beteiligen sich die Tafeln an einer Segmentierung der Gesellschaft in 'Oben' und 'Unten'. Bedürftige Menschen werden durch ein gut funktionierendes Tafelsystem zwar nicht vom Staat, dafür aber umso effektiver von freiwilligen Hilfsorganisationen 'ruhig gestellt'." Zum Jubiläum initiierte er das "Kritische Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln". Ziel ist es, durch eine Mindestsicherung die Tafeln überflüssig zu machen. "Die Tafeln sind für mich ein Symbol für fremdbestimmtes Leben und fremdbestimmte Versorgung. Ihr Jubiläum ist kein Grund zum Feiern." Buchtipps

Stefan Selke: Schamland. Die Armut unter uns.
Econ 2013, Preis: 18 Euro



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