08.04.2013

Das Feuilleton zeigt sich fasziniert von der Dokumentation »Töte zuerst«

[Ossietzky / 2013] Die Begeisterung ist verständlich, die Dokumentation ist spektakulär, denn hier werden sechs Schwerstkriminelle und Kriegsverbrecher interviewt, die sich offen zu ihren Verbrechen bekennen, ohne daß die Staatsanwaltschaft, ob in Jerusalem oder Den Haag, eingreift. Das fasziniert. Stellen wir uns nur vor, die Chefs unseres Verfassungsschutzes der letzten 40 Jahre würden sich zu einer solchen Liste von Verbrechen bekennen: Was wäre hier los? Wären die Feuilletons ähnlich begeistert?
Nichts an den Geständnissen in Morehs Film ist neu. Seit Jahren sind der internationalen Öffentlichkeit die gezielten Tötungen durch Mordkommandos oder Drohnen bekannt, ebenso die Folter durch Schlafentzug, stundenlange erniedrigende Sitzhaltungen, danach Schütteln, Augenverbinden, Angsteinflößen (Yuval Diskin: »Du mußt mit allen Mitteln arbeiten, die dir zur Verfügung stehen«), auch die Giftanschläge waren längst kein Geheimnis mehr. Was die früheren Chefs des Geheimdienstes über die »brutale Besatzungsarmee« sagen, über den »Terror ultra-orthodoxer Juden« und das »korrupte Kolonialregime, das die Araber unterdrückt und sich Verräter heranzieht«, das war dem israelischen Publikum alles längst vertraut – und auch daß Israel »das Leben von Millionen Menschen unerträglich macht«, man aber »keinen Frieden mit militärischen Mitteln schaffen kann« und deshalb die Beendigung der Besatzung der »einzige Weg [ist], um Israel als jüdische Demokratie zu retten«, alles war in Israel schon gesagt worden, ohne Erfolg. Aber wer es in Deutschland wiederholte, der wurde als Antisemit abgeurteilt.

Neu und eher verblüffend als faszinierend ist, daß diese Männer, die zum innersten Zirkel der Macht gehört hatten, so offen von ihren Verbrechen erzählen, die zum großen Teil noch lange nicht verjährt sind.
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[Wikipedia] Über den Autor Norman Paech
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